Naturmed Nlog - Therapeuten Fachbuchblog

Interview mit Dr. Olivia Pojer, Ärztin, Therapeutin, Buchautorin

Unerfüllter Kinderwunsch ist eines der heißesten Themen unserer Zeit. Ungefähr jedes 6. Paar in den sog. Industrieländern hat bereits Probleme ein Kind zu zeugen. Statistisch bleibt Ihnen eine Schwangerschaft trotz einem Jahr lang ungeschütztem, regelmässigem Geschlechtsverkehr, verwehrt.

​naturmed: Ist es ein Problem des Mannes oder der Frau oder beiden?
Dr. Pojer: Blickt man auf die Ursachenverteilung für die verwehrte Elternschaft, so liegt zu 40% die Ursache bei der Frau, ebenso zu 40% beim Mann und zu 20% sind entweder beide Partner daran beteiligt oder die Ursache ist tatsächlich unbekannt. Obwohl also rund die Hälfte der Ursachen beim Mann liegt, wird zu 90% die Frau behandelt. Zumal die Qualität der männlichen Fruchtbarkeit in den letzten 30 Jahren über 50% gesunken ist. Aktuell verschärft Covid diese Problematik noch weiter, da es die Spermienqualität nachweislich für 120-180 Tage reversibel dramatisch verschlechtert (egal ob geimpft oder ungeimpft).

​​naturmed: Welche Ursachen beeinflussen die Spermienqualität?
Dr. Pojer: Hier wird man in der Ursachenfindung rasch in unseren Lifestyle-Gewohnheiten fündig. Da gibt es z.B.:

  • Xenoöstrogene. Dies sind künstlich hergestellte Substanzen, die einen östrogenähnlichen Effekt haben, diese kommen v.a. in Plastikflaschen, Dosen, Frischhaltefolien, Sonnencremes, Deos, Konservierungsstoffen in Lebensmitteln, Wachstumsbeschleunigern in Fleisch und Geflügel, Pestiziden, Herbiziden, Industrieabfällen, Bodenglanzmitteln, Lösungsmitteln, Wasch- und Putzmitteln vor.
  • Antiöstrogene, das sind Weichmacher wie Phthalate. Sie haben einen antiandrogenen und östrogenähnlichen Effekt und haben in Studien Schäden im Hodengewebe, Anomalien im Reproduktionstrakt gezeigt und führen zu einer reduzierten Spermienproduktion, weil sie eben die Testosteronproduktion hemmen. Sie kommen seit den 1930er-Jahren in Plastik, Kosmetika, Haarspray, Shampoo und Seife vor.
  • Väterliches Alter: Mit fortgeschrittenem Alter kommt es naturgemäss zu Veränderungen in der Histologie des Hodens. Die progressive Beweglichkeit der Spermien beispielsweise nimmt um 3,1%/Jahr ab. Was aber viel drastischere Konsequenzen hat, ist das deutlich vermehrte Auftreten von DNA Schäden der väterlichen Spermien und damit verbunden eine erhöhte Rate an Frühaborten bei fortgeschrittenerem paternalen Alter.
  • Das Körpergewicht: Übergewichtige bzw. adipöse Männer haben ein deutlich erhöhtes Risiko für Azoospermie (keine Spermien) oder Oligozoospermie (zu wenig Spermien).
  • Rauchen: Raucher haben schlechtere Spermiogramme. Inhaltsstoffe können die Blut- Hodenschranke durchdringen und zu eingeschränkter Spermienbeweglichkeit und einer erhöhte Spermien DNA Brüchigkeit führen.
  • Alkohol: Ethanol ist ein Hodentoxin und beeinflusst als solches dosisabhängig sowohl die Spermienqualität als auch Beweglichkeit bis hin zu einer Azoospermie.
  • Medikamente: Bei allen Männern mit eingeschränkter Fruchtbarkeit oder generell einem Kinderwunsch sollte eine genaue Medikamentenanamnese erfolgen, da viele Medikamente die Spermienbildung negativ beeinflussen bis hin zu Infertilität.
  • Bewegung und Ausruhen: Studien besagen, dass die Spermienkonzentration von Männern, die zwar regelmässig, aber nicht exzessiv Sport machen, deutlich besser ist als die von Männern, die wenig trainieren. Sehr intensives Training (2 Stunden tgl/5x pro Woche) führt allerdings zu einem Testosteronabfall von -40% und einem Abfall der Spermienzahl um -50%. Generell sollte man auch beim Sport die Gefahr der Hodenüberhitzung bedenken. Radfahren mehr als 5 Stunden/Woche hat beispielsweise die Spermienkonzentration und -beweglichkeit gesenkt.
  • Stress: Zahlreiche Studien belegen den Zusammenhang zwischen Stress und reduzierter Fruchtbarkeit. Stress beeinträchtigt die Hypothalamus- Hypophysen-Gonaden-Achse durch die Ausschüttung des Stresshormons Cortisol.
  • Ernährung: Eine ungesunde, unregelmässige Ernährung beeinflusst die männliche Fruchtbarkeit negativ.

​naturmed: Wie kann nun die Chinesische Medizin bei Unfruchtbarkeit helfen?

Dr. Pojer: Durch eine Optimierung des individuellen Lebensstils. Der erste Schritt für eine optimale TCM-Therapie ist eine ordentliche Diagnostik. Je genauer wir das zugrundeliegende Störungsmuster kennen, umso treffsicherer sind wir mit unserer Therapieauswahl (Akupunktur, Kräuter u.a.). Mit der richtigen Kombination von Akupunkturpunkten, Kräutern, Ernährung und dem richtigen Timing in der Behandlung, ggf. mit Unterstützung einiger Nahrungsergänzungsmittel, kann man die Spermienqualität und -beweglichkeit postitiv beeinflussen und so dem Kinderwunsch einen erheblichen Schritt entgegenkommen.

Hier ein Beispiel: Nehmen Sie z.B. die chinesische Rezeptur Wu Zi Yan Zong Wan (五子衍宗丸 Pille aus fünf Samen zum Entwickeln der Ahnen). Diese Rezeptur ist ein großartiges Rundum-Tonikum für Spermien und kann einfach modifiziert werden. Es unterstützt Nieren-Yin, Yang und Jing, hält die Essenz, klärt Feuchte-Hitze und Hitze der Leber. Fu Pen Zi erhöht ausserdem den Testosteronspiegel. Gou Qi Zi und Tu Si und Tu Si Zi verbessern die Spermienbeweglichkeit.


Olivia Pojer

Integrative Treatment of Male Infertility with Chinese Medicine

Combining Western medical concepts and Chinese medicine

ISBN: 9781787757325
2022, 384 pages

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