Lt. Definition der WHO ist „Gesundheit ist ein Zustand vollkommenen physischen, geistigen und sozialen Wohlbefindens“. Unter er Annahme, dass jedem Leben eine Bestimmung, ein Auftrag zugrunde liegt macht es Sinn, diesen Gesundheitsbegriff um die eigenen, empfangenen Fähigkeiten zu erweitern. Dieses erhaltene Potenzial versetzt uns in die Lage unsere Bestimmung zu erreichen. Dieser visionären Zielvorstellung liegt ein optimales, synergistisches Schaffen der durch Psyche, Nerven-, Hormon- und Immunsystem beeinflussten bzw. geregelten Parameter in Körper, Geist und Seele zugrunde.
Auf Grund der in vielen Lebenslagen notwendigen hohen Reaktionsgeschwindigkeit, die von unserem Verstand nicht geleistet werden kann, erfolgen die allermeisten Prozesse unwillkürlich bzw. unterbewusst. Entsprechend sind Immun- und Hormonsystem sowie Sympathikus/Parasympathikus mit den zugehörigen Regelungen dem Unterbewusstsein unterstellt und entziehen sich einer bewussten, willentlichen Steuerung. Die Abhängigkeit der Systeme untereinander erschwert eine externe Einflussnahme (z. B. medikamentös) da i. d. Regel nur einzelne Parameter eines Steuerungselementes erfasst werden.
Ätiologisch kann Bluthochdruck psychisch (Stress), nerval (Sympathikus – Übergewicht), hormonell (Renin/Angiotensin) entstehen und häufig existieren mehrere Komponenten. In Bereichen mit derartigen, wechselseitigen Abhängigkeiten der Komponenten ist es kaum möglich monokausale Ursache/Wirkungs-Beziehung herzuleiten. Die Behandlung mit β-Blockern ist eher symptomatisch als kausal, da es nicht möglich ist, alle verursachenden Faktoren zu erfassen. Infolge der reduzierten Herzfrequenz wird auch die durch psychischen Stress ausgelöste Hypertonie verringert.
Demgegenüber werden in der Chinesischen Medizin 12 Organkreise mit ihren Aufgaben beschrieben, die modellhaft die gesamte Organisation und Koordination von Lebensprozessen ausführlich darstellen. Im Einzelnen werden als speichernde, Yin-Organe Leber Herz, Perikard, Milz/Pankreas, Lunge und Niere definiert. Demgegenüber sind Gallenblase, Dünndarm, Drei Erwärmer, Magen, Dickdarm und Blase transformierende Yang-Organe.
Die Theorie der Fünf Wandlungsphasen kennzeichnet energetische Richtungen und die zyklische Evolution von Lebensprozessen in der Natur und im menschlichen Organismus.
Die Phasen und ihre wesentlichen Resonanzen werden in der folgenden Tabelle aufgeführt:
Phase |
Yin-Organ |
Yang-Organ |
Energie |
Gefühl |
Klima |
Holz |
Leber |
Gallenblase |
Expandierend |
Wut |
Wind |
Feuer |
Herz/Perikard |
Dünndarm/ 3Erwärmer |
Aufsteigend |
Freude |
Hitze |
Erde |
Milz/Pankreas |
Magen |
Konzentrierend |
Sorge/Mitgefühl |
Feuchtigkeit |
Metall |
Lunge |
Dickdarm |
Kontraktierend |
Tauer |
Trockenheit |
Wasser |
Niere |
Blase |
Komprimierend |
Angst |
Nässe |
Während in den Wandlungsphasen Yin/Yang-Paarungen gebildet werden, bilden die Divisionen/Schichten jeweils nach Yin und Yang getrennte Paarungen ab. (Jue Yin=Leber/Perikard; Shao Yin=Herz/Niere; Tai Yin=Lunge/Milz; Shao Yang=Gallenblase/Drei Erwärmer; Yang Ming=Magen/Dickdarm; Tai Yang=Dünndarm/Blase). Dabei einzigartig ist die Zuordnung von Gefühlen und Organen im Rahmen der Theorie der Fünf Wandlungsphasen, die sich in unseren Breiten in Sprichworten wiederfinden (z. B. Holz – Wut, „die, über die Leber gelaufene Laus“; Feuer – Freude „das Herz hüpft vor Freude“; Erde – Mitgefühl „Liebe geht durch den Magen“; Metall „Schmerz, Blockaden weg atmen“; Wasser, „etwas geht an die Nieren“).
Erklärtes Ziel der konfuzianischen Philosophie und dem Leben Sinn gebend ist die Orientierung an den Fünf Tugenden, die sich ergeben, wenn sich Yin und Yang ausgleichen.
„Güte“ repräsentiert sich bei der Wut im Holz; „Einfühlsamkeit“ entspricht der Freude im Feuer; „Verlässlichkeit“ symbolisiert den Ausgleich von Sorge/Mitgefühl der Erde; „Rechtschaffenheit“ charakterisiert die Balance der Trauer im Metall; „Weisheit“ kompensiert die Angst im Wasser.
Diese Verbindungen ermöglichen die direkte Behandlung psychischer bzw. psychosomatischer Krankheitsbilder auf der Ebene der Organe.
Die Vision innerhalb der Akupunktur die Methodik eine konstitutionelle (ganzheitlichen), kausale Therapie zu finden, zu beschreiben und zu realisieren, führte auf Basis der Fünf Wandlungsphasen zu zwei Behandlungsverfahren. Die „Konstitutionelle Akupunktur“ von J. R. Worsley (1923 – 2003) identifiziert und harmonisiert eine Phase als verhaltensbestimmend. Mittels der Kriterien „Emotion, Klang der Stimme, Hautfarbe über den Schläfen (die Haut ist hier sehr dünn, sodass das Kolorit des Blutes durchscheint) und Körpergeruch“.
In der von J. D. van Buren anwenderfreundlich gestaltete chinesische Astrologie ermittelt die drei bestimmenden Phasen aus der Wurzel und der Großen Bewegung des Himmelsstamms mit der tiefen Energie des Erdenzweigs.
Beide Verfahren sind bestrebt divergierende oder instabile energetische Konstellationen in Körper, Geist und Seele zu harmonisieren. In der Praxis ist das intuitive Aufspüren der konstituierenden Phase jedoch mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden.
Demgegenüber können die Phasen aus dem Lunar-/Solar-Kalender i. d. Regel mühelos bestimmt werden und das „Geburtschart“ mit ein wenig Übung unkompliziert erstellt werden.
Die Phasen sind hier so genial strukturiert, dass die Phase der Großen Bewegung den Weg des Himmelsstamms zur Tugend massiv unterstützt. Beispielsweise wird die Wut in Jahren mit dem Himmelsstamm Gallenblase – mit der expansiven Energie der Phase Holz – infolge des mäßigenden Einflusses des Mitgefühls – expansive Erde – harmonisiert.
Die Beschreibungen der Methodik in der Literatur umfassen neben den Energien des Geburtsjahres die des Monats, des Tages und der Stunde. Ergänzend können Jahr, Monat, Tag und Stunde des Behandlungszeitpunktes berücksichtigt werden. Obwohl diese Vollständigkeit für erfolgreiche Behandlungen nicht notwendig ist, wurden und werden viele Akupunkteure von der scheinbaren Komplexität abgeschreckt, sodass ein flächendeckender Einsatz z. ZT. Nicht existiert.
Gleiches gilt für die Worsley-Akupunktur auf Grund der hohen Anforderungen an Intuition bzw. Erfahrung.
Gelöst werden könnte das Dilemma, indem die das Verhalten treibenden Phasen über den Kalender ermittelt werden und mit Techniken beider Verfahren behandelt werden. Unter Berücksichtigung des Pareto-Prinzips bzw. der 80/20-Regel (20% Einsatz ergibt 80% Ergebnis) ist es nicht zwingend, dass die Methoden nur dann eingesetzt werden, wenn sie bis ins letzte Detail ausgeführt werden können. Dies kann getrost den großen Meistern überlassen werden.
Die Organkreise in ihren originären Wandlungsphasen
Die Organkreise In den Großen Bewegungen
Die Organkreise in den tiefen Energien der Erdenzweige
Literatur:
Dianne M. Connelly, Das Gesetz der Fünf Elemente, Sulzberg 2000
Joan Duveen, Applying Stems and Branches Acupuncture in Clinical Practice, London 2022
Roisin Golding, The Complete Stems and Branches, London, New York 2008
Leon Hammer, Psychologie und Chinesische Medizin, Heidelberg 1975, 1979
Angela Hicks, John Hicks, Peter Mole, Five Element Constitutional Acupuncture, London, New York 2004
Angela Hicks, John Hicks, Healing Your Emotions, London 1999
Master Zhong Xian Wu, Dr. Karin Taylor Wu, Heavenly Stems and Earthly Branches, TianGan Dizhi, London, Philadelphia 2014, 2016
Josef Viktor Müller, Den Geist verwurzeln, Band 1, 2001, Band 2, 2012, Band 3, 2018, Band 4, 2020
Michael Puett, Christine Gross-Loh, Das Wichtigste von Allem, Frankfurt 2016
Carlos Humberto Heitkötter, Integration von Himmelsstämmen und Erdenzweigen in die tägliche Praxis, Teil 1, Qi 03/2024, S. 4-7, Teil 2, 04/2024, S. 32 – 37